Vom Textilabfall zum Biokunststoff. Machbar?
Neue Perspektiven für die Kreislaufwirtschaft in Brandenburg
Gemeinsame Pressemitteilung von Fraunhofer IAP und Beneficial Design Institute / 25. November 2025
Textilabfälle können künftig als wertvolle Rohstoffquelle für nachhaltige Kunststoffe dienen – das zeigt die gemeinsame Machbarkeitsstudie TexPHB der Beneficial Design Institute GmbH, des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP und der matterr GmbH. Auf einem Netzwerktreffen am 25. November 2025 im Anschluss an das 6. Abfallvermeidungsforum des Landes Brandenburg in der Staatskanzlei Potsdam wird die Studie nun erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.
Seit dem Overshoot Day am 24. Juli 2025 hat die Menschheit ihr Ressourcen-Budget für dieses Jahr aufgebraucht. Die Textilindustrie trägt erheblich dazu bei: Sie verursacht rund acht bis zehn Prozent der globalen CO₂-Emissionen. In der vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz (MWAEK) geförderten Machbarkeitsstudie TexPHB zeigen die Partner, wie sich diese Bilanz verbessern lässt.
Machbar! Vom PET-Abfall zum Biopolymer PHB
Der Ansatz: schwer recycelbare Textilien wie gemischte, polyesterhaltige Abfälle aus Fast Fashion, Arbeitsbekleidung oder industriellen Reinigungstextilien werden in den vollständig biologisch abbaubaren Biokunststoff Polyhydroxybutyrat (PHB) umgewandelt. Bislang werden diese Ressourcen üblicherweise verbrannt.
Gemeinsam mit Textilservices und Textilabfallunternehmen untersuchte das Beneficial Design Institute, wie sich die bislang zur Verbrennung bestimmten Textilabfälle verwerten lassen können. Das von der matterr GmbH entwickelte Verfahren zur Hydrolyse von Polyethylenterephthalat (PET), bei dem die zentralen Grundstoffe von PET – Terephthalsäure und Ethylenglykol – in ursprünglicher Qualität zurückgewonnen werden, wurde erstmals für diese kritischen Materialfraktionen getestet. Forschende am Fraunhofer IAP nutzten das Ethylenglykol als Nährmedium für Wildtyp-Bakterien, die daraus das Biopolymer Polyhydroxybutyrat (PHB) bilden. Im Verarbeitungstechnikum Biopolymere in Schwarzheide verarbeiteten sie das gewonnene PHB weiter und prüften es auf seine Materialeigenschaften. »Wir haben damit gezeigt, dass sich PET-Abfälle aus der Textilindustrie mit chemischen und biotechnologischen Verfahren in ein biologisch abbaubares Polymer überführen lassen, das langfristig erdölbasierte Kunststoffe ersetzen könnte«, sagt Dr. Maren Wandrey, Biochemikerin vom Fraunhofer IAP.
PHB: biologisch abbaubar und vielseitig einsetzbar
Die Beneficial Design Institute GmbH identifizierte im Rahmen der Studie mögliche Anwendungsfelder für das Biopolymer. »PHB ist vollständig biologisch abbaubar und biokompatibel. Im Vergleich zu anderen Biokunststoffen weist PHB auch eine gute Barrierewirkung gegenüber Sauerstoff und Feuchtigkeit auf. Damit bietet es großes Potenzial für Produkte, die in der Umwelt oder im Körper abgebaut werden sollen – etwa für medizinische Anwendungen, Geotextilien als Erosionsschutz oder landwirtschaftliche Produkte«, erklärt Prof. Friederike von Wedel-Parlow, Geschäftsführerin des Beneficial Design Institute GmbH.
Ein kürzlich veröffentlichtes Strategiepapier überträgt die Erkenntnisse des Konsortiums in konkrete Empfehlungen für politische Entscheidungsträgerinnen und -träger in Brandenburg. Es umfasst ein mehrstufiges Maßnahmenpaket, das die Grundlage für eine textile Kreislaufwirtschaft in Brandenburg schaffen soll.
Vernetzung für regionale Wertschöpfung und textile Transformation
Unter dem Titel »From Fabric to Bioplastic – From Waste to Value« werden die TexPHB-Marktstudie und das Strategiepapier am 25. November 2025 im Rahmen eines Partnering Meet-ups in der Staatskanzlei Potsdam vorgestellt. Die Veranstaltung findet im Anschluss an das 6. Brandenburger Abfallvermeidungsforum statt und bringt Akteurinnen und Akteure aus Wirtschaft, Forschung, Politik und Design zusammen. Ziel ist es, Kooperationen und Investitionen anzustoßen, die die nachhaltige Transformation der Textil- und Abfallwirtschaft in Brandenburg vorantreiben.
Perspektive für Brandenburgs Bioökonomie
Das Projekt TexPHB zeigt exemplarisch, wie sich textile Reststoffe in hochwertige, biologisch abbaubare Kunststoffe umwandeln lassen – und welche Chancen sich daraus für eine zirkuläre Wirtschaft ergeben. Die Ergebnisse der Studie dienen als Grundlage für weiterführende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Langfristig soll eine durchgängige Prozesskette entstehen – von der Textilabfallverwertung bis zur Produktion neuer Biopolymere.
Machbarkeits- und Potenzialstudie: „Anwendungen für das Biopolymer Polyhydroxybutyrat (PHB) aus Textilabfällen“ (TexPHB)
Forschungskonsortium
Fraunhofer Institut für angewandte Polymerforschung IAP
Beneficial Design Institute GmbH
Partner aus der Textilindustrie:
Sitex – Textile Dienstleistungen Simeonsbetriebe GmbH
MEWA Textil-Service SE & Co. Management OHG
IZ Circular Textiles GmbH / SOEX
Textilhafen der Komm & Sieh gGmbH
Gefördert durch
Projektinitiatoren
Beneficial Design Institute GmbH
Wir sind ein auf Ecodesign & Nachhaltigkeit spezialisiertes Designforschungsinstitut mit Sitz in der Metropolregion Berlin-Brandenburg. Wir entwickeln ganzheitliche Innovationskonzepte und zirkuläre Produktlösungen für die Textil- und Modebranche, meist mit Designimpuls am Anfang der textilen Kette. Als Impulsgeber für die »TexPHB« -Machbarkeitsstudie und Projektentwickler der regionalen Initiative von „Nature of Fashion_Design for Transformation“ setzen wir erstmals am Ende an und verbinden Design-, Material- und Kreislaufkompetenz mit praxisnaher Umsetzung – von der Forschung bis zur Marktreife. Ziel ist die regenerative Transformation der Branche durch biokompatible Materialien, neue Wertschöpfungspfade und eine konsequent naturinspirierte Gestaltung.
„Nature of Fashion_Design for Transformation“ ist eine globale Initiative des Biomimicry Institutes, gefördert von der Laudes Foundation, mit regionalen Projekten in Berlin-Brandenburg, den Niederlanden und im globalen Süden in Accra, Ghana. Ziel ist es, den Umgang mit Textilabfällen neu zu denken – insbesondere durch biologische und biotechnologische Lösungsansätze. Anstelle des linearen „Take-Make-Waste“-Modells der Modeindustrie setzt die Initiative auf ein zirkuläres „Break-Down-to-Build-Up“-Prinzip. Im Fokus steht die Umwandlung gemischter kritischer Textilabfälle der untersten Abfallhierarchie in werthaltige, biokompatible Materialien, die für branchenübergreifende Anwendungen industriell nutzbar sind und sicher in natürliche Kreisläufe zurückgeführt werden können. Damit will die Initiative das Bewusstsein für regenerative, naturinspirierte Alternativen im Modesystem stärken.

